Der beste Babysitter der Welt?

Kinder, völlig vertieft in ihr Spielen, hören eine ganz bestimmte Melodie und rennen augenblicklich zum Handy ihrer Eltern. Welche Melodie zieht Kinder so stark an, dass dieser neue SocialMedia-Trend daraus entstanden ist? Es ist das Intro des aktuell drittgrößten Youtube-Kanals „Cocomelon – Nursery Rhymes“. Mit 172 Millionen Abonnenten und bis zu 6,6 Milliarden Aufrufen pro Video (08.03.2024) richtet sich der Kanal an Kinder bis sechs Jahre. Mehrmals pro Woche wird ein neues Animationsvideo hochgeladen, in dem Kinder mit ihren Familien und (tierischen) Freunden alltägliche Situationen erleben. Beim Baden, Busfahren, Schlafengehen oder Geburtstagfeiern werden eingängige Lieder gesungen und oft wird dazu getanzt. Bunt, fröhlich und mit einfachen Animationen – Cocomelon begeistert Kinder weltweit. So gibt es den Kanal in verschiedenen Sprachen, wobei keiner so erfolgreich ist wie der englische.
Hinter dem Kinderkanal steckt das riesige Unternehmen „Moonbug“, das auch andere Kinderserien („Lellobee City Farm“ und „Little Baby Bum“) mit ähnlicher Aufmachung produziert. Sicherlich hat es einen großen Anteil daran, dass Kindervideos als die beliebtesten auf Youtube gelten und die meisten Kinder bis sieben Jahre dort mehr als eineinhalb Stunden täglich verbringen. So stellt sich früher oder später die Frage, wie gut sich Cocomelon und CO. als Babysitter schlagen.

Zunächst einmal werfen wir einen Blick hinter die Kulissen des Sprachenlernens – einem der Ziele von Cocomelon. Lernen Kinder eine Sprache, so tun sie dies intuitiv. Sie lernen im Alltag und sie lernen leicht, erst ab der Pubertät wird eine neu gelernte Sprache in einem anderen Gehirnareal als die Muttersprache abgespeichert. Wenn Kinder früh Englisch lernen, hilft ihnen das später oft beim Erlernen weiterer Sprachen und sie können in unserer globalisierten Welt konkurrenzfähig bleiben.
Tatsächlich wecken audiovisuelle Medien, wie die Videos von Cocomelon, das Interesse von Kindern. Dank der magischen Anziehungskraft dieser Videos und einer damit verbundenen gesteigerten Aufmerksamkeit, nehmen Kinder die Vokabeln aus den Songs leicht auf. Die Wiederholung der Wörter trägt dazu bei, dass Kinder sich die Texte leicht merken können, und außerdem werden sie mit einem kulturellen und sozialen Kontext verknüpft. Die Videos sind leicht zugänglich und Kinder wissen mit Youtube umzugehen – sie können die Welt von Cocomelon eigenständig entdecken und sich so auf das spätere Leben vorbereiten.

Zwar animieren die Videos auch dazu, nach draußen zu gehen und die Empfehlung an die Eltern, den Konsum der Videos zu kontrollieren, ist klar, aber Cocomelon ist mitnichten ein guter Babysitter.
Die Videos haben direkten Einfluss auf das kindliche Gehirn: Die exekutiven Funktionen der Kinder – also Hemmungskontrolle, Arbeitsgedächtnis und Flexibilität – werden schon nach 10 Minuten vor dem Bildschirm stark beeinträchtigt. Die Folgen? Aufmerksamkeitsprobleme und Schwierigkeiten im Unterricht. Besonders stark beeinflusst werden Kinder von schnellen Szenenwechseln und Reizüberflutung – wie sie in Cocomelon zu finden sind. Dort ist kaum eine Szene länger als zwei Sekunden und von Untertiteln und Soundeffekten durchsetzt. Das kann auch Auswirkungen auf den Schlaf der Kinder haben und Sprachverzögerungen nach sich ziehen.

Doch all‘ das scheint Moonbug erfolgreich zu verdrängen. Stattdessen gibt sich das Unternehmen größte Mühe, ihre kleinen Zuschauer noch mehr zu fesseln. Durch eine monatlich stattfindende Zuschauerforschung mit Kleinkindern soll herausgefunden werden, bei welchen Szenen sie sich zu sehr von etwas anderem ablenken lassen. Auf jedes Detail wird wertgelegt. Ein Ergebnis: Kinder weltweit mögen gelbe Busse, ein bisschen Dreck und Wehwehchen, bei denen ein Pflaster benötigt wird. Wenn es darum geht, Kinder auf etwas zu fokussieren und ihnen ganz nebenbei eine Sprache beibringen möchte, dann ist Cocomelon wohl das beste Mittel der Wahl. Von „gesund“ kann jedoch keine Rede sein.

Segal, David. „A Kid’s Show Juggernaut That Leaves Nothing to Chance“. The New York Times, The New York Times, 5. Mai 2022, https://www.nytimes.com/2022/05/05/arts/television/cocomelon-moonbug-entertainment.html.

Soni, Arnav, und Srivastava Sarvagya. Growing Cartoon Trends Pose as Hyper stimulant to Adolescents that Cultivates Addiction, Impair Creativity, and Inhibits Arithmetic Efficiency.

Ules, Mohainon, u. a. Cocomelon videos: Its effects on Teduray learners’ English Language Learning. Zenodo, August 2022, doi:10.5281/ZENODO.6964758.

View of the Use of the Cocomelon YouTube Channel as a Medium for Introducing Children’s English Vocabulary. Ukdw.Ac.Id, https://saga.ukdw.ac.id/index.php/SAGA/article/view/137/36. Zugegriffen 28. Februar 2024.