In unserem Praxiszentrum steht das Wohl unserer Patient*innen an erster Stelle. Als interdisziplinäre Einrichtung setzen wir uns daher auch für deren Aufklärung ein. Ob es um Daten-Fallen im Internet oder Online-Therapie geht – auf unserem Blog informieren wir unsere Leser*innen mit gut verständlichen Texten über aktuelle Themen. Dabei setzen wir auf korrekte Recherchen und fundierte Meinungen. Unser Ziel: Licht ins Dunkle bringen.

EIN SCHUFA-EINTRAG FÜR DIE PSYCHE

„Kannst du Nina helfen? Nina sucht nach Therapeuten in Tübingen, BW. Sie ist chronisch depressiv und hat gelegentlich Selbstmordgedanken“. – Nina gibt ihre Daten „Bark“ und „Bark“ gibt sie an Therapeuten in Tübingen – oder?

Als ich zum ersten Mal eine E-Mail von Bark erhalten habe, dachte ich mir: „Das muss doch ein schlechter Scherz sein!“ Die Nachricht sah so amateurhaft aus, dass ich misstrauisch wurde. Doch dann kam die Überraschung, gefolgt von einer ordentlichen Portion Ärger: Hier war tatsächlich eine von mittlerweile vielen Agenturen, die unverschämt mit sensiblen Patientendaten jonglierte und damit warb, Psychotherapeuten für ihre Patienten zu finden.

Mit über 5 Millionen Kunden in 8 Ländern ist Bark ein durchaus großer Marktplatz für Dienstleistungen – weltweit führend laut Bark. Das Geschäftsmodell ist pragmatisch gehalten: Ein Dienstleister registriert sich auf Bark, kauft Credits und erhält im Gegenzug die Kontaktdaten von Kunden, die er sich selbst ausgesucht hat. Und da liegt auch schon der Hund begraben: Ich habe mich nie auf Bark registriert. Stattdessen durchforstet Bark selbst das Internet nach E-Mail-Adressen von Psychotherapeuten, um diese anschließend mit Therapieanfragen zu überhäufen. Ganz so, als wären sämtliche Therapeuten nichts weiter als Adressaten einer
Kassenärztlichen Vereinigung, die sich in den Spam-Wahnsinn gestürzt hat. Nach kurzer Internetrecherche fand ich schnell Dutzende Beschwerden, denn bei der Durchforstungsaktion gibt es nicht selten Verwechslungen und es werden irrtümlich ganz andere Berufsgruppen angeschrieben. Menschen auf der Suche nach psychotherapeutischer Hilfe werden demnach potenziell vor dem ganzen Internet entblößt, während Bark auf seiner Website als altruistischer Vermittler auftritt. Aber Bark geht sogar noch einen Schritt weiter: In ihrer Datenschutzerklärung macht die Plattform klar, dass alle Daten von potenziellen, aktuellen und ehemaligen Kunden und Dienstleistern sowie Nutzern der Website möglicherweise an Dritte weitergegeben werden. Diese Weitergabe findet dann statt, wenn es Bark für notwendig hält. Also zum Beispiel, um den Service zu verbessern oder – und das eröffnet Bark endgültig alle Möglichkeiten – für eigene Zwecke Dritter.
Dritte, das können unter anderem Versicherer, Geschäftspartner, Berater und gesetzliche Stellen sein. Die Krux an der Sache? Möglicherweise fällt all das gar nicht unter den Datenschutz, weil Kunden und Dienstleister bei Benutzung der Website den AGB zustimmen. Es wird also höchste Zeit, dass wir die Sache selbst in die Hand nehmen und unsere sensiblen Daten besser schützen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie in die falschen Hände geraten. Bark und ähnliche Unternehmen sollten sich schämen, solch fragwürdige Praktiken zu verwenden, um Geschäfte zu machen.

Schämen sie sich denn? Nein, wie die Antworten des deutschen Kundenservices verlauten lassen. Auf Nachfrage aus Kundensicht, was denn mit den Kundendaten passiere, heißt es lediglich: „Die bleiben bei uns.“ Der Mitarbeiterin sei es neu, dass die Möglichkeit zur Weitergabe der Daten an Dritte in den Datenschutzbestimmungen festgehalten sei. Außerdem unterlägen die Ärzte schließlich einer Schweigepflicht und die Therapeuten dürfe man sich ja immerhin selbst aussuchen. Eine fadenscheinige Aussage angesichts dessen, wie wenig die Identität – geschweige denn die Existenz – des Dienstleisters überprüft werden, das zeigt ein kurzer Selbstversuch. Da scheint Bark wohl vergessen zu haben, dass sie hier mit der Hilflosigkeit und Leichtgläubigkeit der Leute spielt. Trotzdem verblüfft es mich, dass es Menschen gibt, die ihre persönlichen Informationen sorglos auf irgendeiner Plattform preisgeben, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was mit diesen Daten geschieht.

So bleibt nur zu hoffen, dass diese äußerst sensiblen Daten nicht an Versicherungen oder Arbeitgeber weitergegeben werden. Da betreten wir nämlich das düstere Territorium des Daten-Highways, auf dem sensible Informationen zu eine gefährlichen Ware werden – heiß begehrt von Versicherern und Arbeitgebern, die sich alle möglichen Tricks einfallen lassen, um sich abzusichern. Das Ganze fühlt sich fast an wie ein SCHUFA-Eintrag für die Psyche. Stellen Sie sich vor, Ihr Versicherer kommt auf die Idee, dass Sie möglicherweise eine Diagnose im Hintergrund haben könnten – plötzlich bietet er Ihnen völlig andere
Versicherungsleistungen an oder streicht Ihnen sogar die gesamte Deckung. Da ist dann wirklich wenig Spielraum für Zuckerguss und Höflichkeiten – wir stecken in der wilden Welt des Internets, wo für „einmal drin“ „immer drin“ gilt. Sicher, Sie können beantragen, dass Ihre persönlichen Daten gelöscht werden. Aber seien Sie sich bewusst, dass diese Daten bereits wie wilde Samen im Internet-Boden verstreut sind. Es ist an der Zeit, dass wir die Menschen aufwecken und ihnen klarmachen, was mit ihren Daten passiert.

Bild im Gruppenraum der Praxis