Verschiedenen Themen der psychoanalytischen Praxis und der Berufspoltitk

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Quantified Self Movement – Die Vermessung des Selbst

Die Quantified Self (QS) Bewegung entstand in den späten 2000er Jahren und hat in den letzten Jahren deutlich an Popularität gewonnen. Mitglieder dieser Bewegung erfassen und analysieren Daten über sich selbst, um ein besseres Verständnis für ihren Körper zu erhalten und um ihre Lebensqualität zu verbessern. Es gibt diverse Gründe dafür, unter anderem chronische Erkrankungen, Freude am Analysieren der eigenen Daten, Zugehörigkeit zu der Community, höhere Motivation durch die Möglichkeit der Selbstverbesserung und viele mehr. Hierbei können verschiedene Aspekte des alltäglichen Lebens gemessen werden, wie beispielsweise Fitness, Essverhalten, Stimmung, Schlaf oder Produktivität. Smartphones, Smartwatches und Fitnessarmbänder können diese Messungen erleichtern, sowie Anleitungen im Internet in Form von Tutorials. Zudem gibt es inzwischen zahlreiche Apps, die das Aufzeichnen und Analysieren der persönlichen Daten vereinfachen. Aber auch klassische Tagebuchaufzeichnungen oder das Festhalten der Daten in Tabellen sind gebräuchliche Methoden der QS-Bewegung. Diese Daten lassen die Personen Trends und Muster erkennen und beeinflussen die Eigenwahrnehmung und können Verhaltensänderungen bewirken. Durch das Erheben der Daten wird eine Vergleichbarkeit geschaffen mit anderen Personen, die diese Daten ebenfalls erheben.

 

Das softwaregestützte Sammeln von Daten gerne durch „Gamification“ vereinfacht. Durch spielerische Features werden die Nutzer dazu animiert, ihre Gewohnheiten zu optimieren, indem sie beispielsweise ihren Highscore knacken oder die nächste Auszeichnung anstreben sollen. Diese fördern auch die Möglichkeit des direkten Vergleiches und ermöglichen Wettkämpfe um die besten Werte unter Freunden aber auch Fremden.

 

Für viele Mitglieder der QS-Bewegung ist das Selbst-Tracking zu einer Art Freizeitgestaltung geworden. Sie bezeichnen diese Tätigkeit meist als „Lifelogging“ und fühlen sich wohl in der Position über ihren Körper Bescheid zu wissen und ihn einschätzen und steuern zu können, um ihn zu einer besseren Version seiner selbst zu machen.

 

Allerdings gibt es an der QS-Bewegung einiges zu kritisieren. Nutzer*innen vertrauen auf die Daten, die Smartgeräte für sie sammeln und stellen diese oftmals nicht infrage. Dadurch wird diesen und den Herstellern eine Macht verliehen. Denn die Daten können durchaus verzerrt sein und statt medizinischen Maßstäben zu entsprechen werden teilweise strategische Marketing-Ziele verfolgt. Aber auch medizinische Applikationen vergleichen Werte oftmals nur mit der Norm, anstatt individuell anpassbar zu sein. Außerdem sollte man sich der Möglichkeiten des Datenkaufs oder -klaus der freiwillig gesammelten Daten bewusst sein. Zudem ist die Gefahr besonders hoch, wenn die Daten in einer Cloud gespeichert werden, anstatt nur auf dem Smartphone. Fragwürdig ist auch, wenn die verwendete Software kostenlos ist.
Viele kritische Stimmen äußern auch die Frage, ob die Selbstvermessung ein Symptom für geringes Selbstvertrauen darstellt. Durch die Datensammelwut entstehen soziale Vergleiche, die darauf abzielen, herauszufinden, ob man sich von anderen unterscheidet oder ob man der Norm entspricht. Hier kann es auch zu der Entwicklung einer Sucht kommen, da Verhaltensweisen angepasst werden, um der gängigen Norm zu entsprechen.

 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Quantified Self Bewegung und das Vermessen des eigenen Körpers zu einer Verbesserung des eigenen Wohlbefindens führen kann, wenn diese Freizeitbeschäftigung reflektiert durchgeführt wird. Vor allem sollte man sich dabei informieren, wie die eigenen Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff haben könnte.

 

Im psychotherapeutischen Kontext lässt sich diese Vermessung des Selbst mit der Führung eines Tagebuchs in der Verhaltenstherapie vergleichen. Das Tagebuch wird direkt zu Beginn der Therapie erklärt und übergeben und auch hier können verschiedene Informationen gesammelt werden, wie Gefühle, Gedanken und Körper- und Verhaltensreaktionen in verschiedenen Situationen. Die gesammelten Daten können als Gesprächsgrundlage dienen und geben Aufschluss darüber, ob es zu Veränderungen während der gesamten Therapiezeit kommt und ob diese konstant sind. Das Tagebuch bietet den Vorteil, dass die Informationen aktuell in oder kurz nach der entsprechenden Situation, aufgezeichnet werden. Allerdings kann es auch hier dazu kommen, dass diese Informationen selektiv oder gar nicht aufgezeichnet werden. Dies ist aber trotzdem eine gute Möglichkeit, in den Therapiesitzungen darüber zu sprechen und die Gründe dafür zu erfahren.

 

Das Sammeln von Informationen über das eigene Selbst kann Aufschlüsse über die eigenen Gewohnheiten und den eigenen Körper geben. Es ermöglicht die Reflexion und erlaubt es, gezielt Veränderungen anzustreben. Dies kann sowohl in einem therapeutischen oder medizinischen Rahmen als auch als Freizeitbeschäftigung stattfinden.

 

Quellen:
Barcena, M. B., Wueest, C., & Lau, H. (2014). How safe is your quantified self. Symantech: Mountain View, CA, USA, 16.

 

Bernard, A. (2019). Komplizen des Erkennungsdienstes: Die ‚Quantified Self ‘-Bewegung und die Vermessung des eigenen Körpers. Beratung und Digitalisierung: Zwischen Euphorie und Skepsis, 129-156.

 

Duttweiler, S., & Passoth, J. H. (2016). Self-Tracking als optimierungsprojekt. Leben nach Zahlen. Self-Tracking als Optimierungsprojekt, 9-42.

 

Lee, V. R. (2014). What’s happening in the“ Quantified Self“ movement?. ICLS 2014 proceedings, 1032.

 

Margraf, J. (2009). Lehrbuch der verhaltenstherapie (Vol. 3). S. Schneider, & G. Meinlschmidt (Eds.). Heidelberg: Springer.

 

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