Ein Arbeitsmodell mit Verantwortung

Zwischen Hierarchien, Kontrolle und Effizienz haben Veränderungen keinen Platz mehr. Zunehmende Unzufriedenheit macht sich in den Unternehmen breit und irgendwann heißt es dann: Etwas Neues muss her. Der Name des „Neuen“? New Work. Die Hoffnungen sind groß, schließlich wollen die Organisationen flexibler und innovativer sein, ihre Mitarbeiter wünschen sich mehr Sinn in dem, was sie tun und streben nach Selbstwirksamkeit. Doch was finden Arbeitgeber und -nehmer an den neuen Ufern? Vor allem finden sie viel Zwischenmenschliches.

Selbststeuerung

Um die Lernbereitschaft und Innovationsfähigkeit der Mitarbeitenden zu erhöhen, setzt man im Rahmen von New Work auf die Individuen. Sie erleben mehr Wertschätzung und finden sich in einer Umgebung wieder, in der ihnen nicht nur mehr Verantwortung übertragen wird, sondern wo sie auch Sicherheit im und vom Team erfahren. Die eigene Meinung ist genauso wichtig wie Selbstreflexion und Feedback und dient dazu, die neuen Werte in der Organisation zu integrieren. Denn nur so kann die traditionelle Arbeitskultur verändert und zu einer Entwicklungskultur transformiert werden. Leidenschaft lautet das Stichwort zum Wandel, das neben der Förderung von Selbstorganisation auch durch eine verstärkte Mitarbeiterbindung durch viele innerbetriebliche Angebote (Yoga, Social freezing, etc.) erzeugt werden soll.

Führung

Ein wichtiger Bestandteil des neuen Arbeitsmodells ist eine veränderte Führungsrolle. Abhängig von Beruf und Branche, besteht die Hauptaufgabe der Führungskraft im Arbeiten mit, statt gegen den Widerstand. Das bedeutet, dass die Führungskraft ihr Eingreifen in die Arbeit der Mitarbeitenden minimiert und gleichzeitig etwaige negative Gefühle aufnimmt und verarbeitet (Containing). Dies soll vor allem durch Strukturen und Prozesse geschehen, zu denen auch „Rituale“, wie etwa Firmenfeiern, gehören. Fest steht: Führungskräfte dürfen unperfekt sein, ihr Führungsstil sollte inspirieren und sie sollten sich um gute Beziehungen zu allen Teammitgliedern bemühen. Denn nur wer die Mitarbeitenden kennt, kann sie motivieren. Und nur so werden Leidenschaft und Produktivität gefördert.

Herausforderungen

So sehr New Work auf ein gutes Miteinander und die einzelnen, individuellen Mitarbeitenden setzt – es gibt dennoch einige Probleme, denen sich das Arbeitsmodell ausgesetzt sieht. Demnach führt eine Verteilung der Verantwortung an alle Teammitglieder auch zu einer gewissen Unfreiheit, da das hohe Arbeitspensum oft mit großem Druck und Erwartungen einhergeht. Die Mitarbeitenden sehen sich außerdem häufig mit Versagensängsten konfrontiert, weil sie fürchten, den Anforderungen nicht gerecht zu werden oder der Konkurrenz nicht gewachsen zu sein. Die Angebote einer Organisation, mit denen sie ihre Mitarbeitenden an sich binden möchte, haben oft das Gegenteil zur Folge, wenn die Vereinnahmung aller Lebensbereiche zu groß erscheint und sich der Mitarbeitende dann eine Schein-Nahbarkeit zulegt, um sein Innerstes zu schützen.

Lösungen

Angesichts dieser psycho- und gruppendynamischen Herausforderungen wird deutlich, wie wichtig funktionierendes Feedback für die New Work ist. Aber auch die Fürsorge der Organisationen gegenüber ihren Mitarbeitenden darf nicht ausbleiben und setzt ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Kompetenz und Empathie voraus. Präventiv sollte deshalb eine tragfähige innere Ordnung des Teams vorhanden sein, die keine Ängste in Bezug auf Nähe und Distanz zu anderen Mitgliedern aufkommen lässt. Jedes Unternehmen, das Flexibilität von seinen Mitarbeitenden erwartet, sollte selbst so flexibel sein, auf neue digitale Formen der Kooperation, Kommunikation und Information umzusteigen. Am Ende ist es wohl immer ein Mittelweg, der gegangen werden muss, um die jeweilige primäre Aufgabe einer Organisation zu erfüllen – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen.

Bachmann, Thomas, und Jenny Jung. „New Work oder Die Dimensionen des Organisierens“. Organisationsberatung Supervision Coaching, Bd. 30, Nr. 2, 2023, S. 195–211, doi:10.1007/s11613-023-00819-1.

Giernalczyk, Thomas, u. a. „Zwischen Angst und Leidenschaft – eine psychodynamische Perspektive auf Emotionen im New Work“. Organisationsberatung Supervision Coaching, Bd. 26, Nr. 2, 2019, S. 143–157, doi:10.1007/s11613-019-00597-9.

Giernalczyk, Thomas, und Heidi Möller. „New Work, Digitalisierung, Inner Work als Herausforderung für das Coaching“. Organisationsberatung Supervision Coaching, Bd. 26, Nr. 2, 2019, S. 139–141, doi:10.1007/s11613-019-00596-w.

Holle, Martin, u. a. „Von Old Work über New Work zu Real Work: Eine psychodynamische Beratungsperspektive“. Organisationsberatung Supervision Coaching, Bd. 26, Nr. 2, 2019, S. 193–213, doi:10.1007/s11613-019-00600-3.

Möller, Heidi, und Thomas Giernalczyk. „New leadership in agile organizations“. Organisationsberatung Supervision Coaching, Bd. 29, Nr. 1, 2022, S. 51–66, doi:10.1007/s11613-021-00741-4.

Wörwag, Sebastian, und Alexandra Cloots. Arbeitskulturen im Wandel: Der Mensch in der New Work Culture. 2021.